Die Auswirkungen der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank auf den Alltag sind vielfältig. Ob es um Dispokredite, Tagesgeldkonten oder Baufinanzierungen geht, stellt sich die Frage: Inwieweit sind die Zinsen bereits angestiegen? Bereits zum zehnten Mal in Folge hat die Europäische Zentralbank (EZB) in der vergangenen Woche die Leitzinsen erhöht. Dabei stiegen alle drei Schlüsselsätze um jeweils 25 Basispunkte. Doch welche Auswirkungen hat das konkret für die Verbraucherinnen und Verbraucher? Wo genau machen sich die gestiegenen Zinsen bemerkbar? Hier erhalten Sie einen Überblick.
Die Konsumentenkredite
Zwei der drei Leitzinsen bestimmen die Konditionen, zu denen Geschäftsbanken Geld von der Europäischen Zentralbank (EZB) leihen können. Die sogenannte Hauptrefinanzierungsfazilität, die für Laufzeiten ab einer Woche gilt, hat nun einen Rekordwert von 4,5 Prozent erreicht – ein historischer Höchststand in der Geschichte der Währungsunion. Wenn Banken sich kurzfristig mit Übernachtkrediten Kapital beschaffen möchten, müssen sie mittlerweile einen Spitzenrefinanzierungssatz von 4,75 Prozent zahlen.
Da die Refinanzierungskosten der Institute seit dem Ende der Nullzinspolitik im Juli 2022 kontinuierlich gestiegen sind, haben sich auch die Kreditkosten erhöht. In der Regel geben Banken die gestiegenen Kosten direkt an Haushalte und Unternehmen weiter, indem sie die Zinsen erhöhen. Stephanie Heise, Bereichsleiterin Verbraucherfinanzen bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, erklärt: „Der Leitzins beeinflusst maßgeblich kurzfristige Kredite wie Dispokredite und auch Ratenkredite, die beispielsweise für den Kauf eines Autos oder eines neuen Handys verwendet werden.“
Laut der Frankfurter Finanzberatung FMH beträgt der Zins für einen dreijährigen Ratenkredit derzeit durchschnittlich 7,19 Prozent. Die Spanne variiert je nach Laufzeit und Bonität und reicht sogar bis zu 10,75 Prozent. Im Neugeschäft lag der effektive Jahreszinssatz für Konsumentenkredite laut Bundesbank zuletzt bei 8,4 Prozent. Im Vergleich dazu betrug dieser im Juli des vorherigen Jahres noch 6,15 Prozent.
Die Dispokredite
„In den vergangenen Jahren hatten die Menschen sich an vergleichsweise günstige Kredite gewöhnt, aber diese Ära ist vorbei“, erklärt Heise. Gerade jetzt sind jedoch immer mehr Menschen aufgrund finanzieller Schwierigkeiten auf die Aufnahme von Krediten angewiesen, bedingt durch die Inflation. Eine Möglichkeit dazu besteht darin, das Girokonto zu überziehen. Allerdings sind die dafür geltenden Dispozinsen noch höher.
Laut FMH liegt der Durchschnitt der Dispozinsen bei 68 ausgewählten Banken derzeit bei 11,75 Prozent. „Diese hohen Zinssätze, zusammen mit der Tilgung, stellen eine erhebliche Belastung dar“, betont Heise. Die Verbraucherzentrale empfiehlt daher allen Haushalten, die nicht darauf angewiesen sind, in der aktuellen Situation auf Konsumentenkredite und die Nutzung des Dispokredits zu verzichten.
Max Herbst, Inhaber von FMH, sieht die Dispozinsen ohnehin für die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher als kaum relevant an. „Wir gehen davon aus, dass nur jeder siebte Bundesbürger im Dispo ist.“ Viel bedeutsamer seien hingegen die Zinssätze für kurzfristige Tages- und Festgeldkonten – also für das Sparen. Damit verbunden ist der dritte Leitzins, die sogenannte Einlagefazilität.
Die Bauzinsen
Die Bauzinsen stehen direkt in Verbindung mit der Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe. Laut den Daten der Frankfurter FMH-Finanzberatung lagen die Zinsen für zehnjährige Finanzierungen zuletzt knapp unter vier Prozent. „Die Bauzinsen haben jedoch wenig bis gar nichts mit der EZB zu tun“, erklärt Herbst. Banken refinanzieren ihre Baufinanzierungen hauptsächlich über Pfandbriefe, deren Rendite sich an den Zinsen für zehnjährige Bundesanleihen orientiert, die wiederum von der Entwicklung der Inflation beeinflusst werden.
„Heute sind die Bauzinsen viermal so hoch wie vor zwei Jahren“, gibt Heise zu bedenken. Die Entscheidung für den Kauf oder Bau einer Immobilie hängt letztlich nicht nur vom tagesaktuellen Zinssatz ab. Dennoch verteuert es das Gesamtpaket erheblich. „In unseren Beratungsgesprächen, in denen wir durchkalkulieren, ob sich der Interessent die Immobilie leisten kann, stellen wir immer häufiger fest, dass es finanziell nicht mehr tragbar ist“, berichtet die Bereichsleiterin für Verbraucherfinanzen.