Der Vorsitzende der SPD und Bundeshaushaltsverantwortliche schlägt vor, die Schuldenbremse aufgrund der Hochwasserkatastrophe vorübergehend außer Kraft zu setzen. Führt das Hochwasser zu einer Rechtfertigung für die Aussetzung der Schuldenbremse? Die SPD hält dies für eine mögliche Option, während die Kommunen „überhaupt keinen Anlass“ dafür sehen. Der Bund zeigt sich in dieser Frage zurückhaltend. Die schweren Überschwemmungen in verschiedenen Teilen Deutschlands haben eine neue Diskussion über die Schuldenbremse entfacht. Dennis Rohde, der Haushaltspolitiker der SPD, äußerte sich dazu gegenüber dem Stern: „Noch ist das gesamte Ausmaß der Flutschäden nicht absehbar, aber für genau solche Fälle haben wir die Möglichkeit, die Schuldenbremse auszusetzen, im Grundgesetz stehen.“ Er betonte, dass auch das im November ergangene Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts, infolge dessen der Bund seinen Haushalt für 2023 und 2024 grundlegend überarbeiten musste, daran nichts geändert habe.
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Besondere Verantwortung des Bundes
Es wird derzeit sorgfältig geprüft, „ob wir dieses finanzielle Ausmaß erreichen“, erklärte Rohde. Der Bundestagsabgeordnete, dessen Wahlkreis Oldenburg-Ammerland zu den Regionen gehört, die derzeit besonders stark vom Hochwasser betroffen sind, unterstrich außerdem die besondere Verantwortung des Bundes. Er betonte: „Es galt vor wenigen Jahren für die Menschen im Ahrtal und gilt auch heute: Die Betroffenen in den Regionen können sich auf den Bund verlassen.“
Striktere Ausgabenpolitik fordern die Kommunen
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund sprach sich hingegen gegen eine erneute Lockerung der Schuldenbremse aus. Aufgrund der Hochwasserlage sehe der Präsident des kommunalen Spitzenverbands, Uwe Brandl (CSU), „aktuell überhaupt keinen Anlass“, die Schuldenbremse zu lockern. Er empfahl Gelassenheit und Zurückhaltung in dieser Angelegenheit. Brandl äußerte die Ansicht, dass es in regelmäßigen Abständen immer wieder schwierige Situationen geben werde, die als Rechtfertigung für eine Lockerung der Schuldenbremse dienen könnten.
Klare Prioritätensetzung bei den Ausgaben
Stattdessen plädierte Brandl für eine klarere Festlegung von Prioritäten bei den Ausgaben. Die aktuelle Hochwassersituation sei zweifellos anspruchsvoll, aber es handele sich um eine langfristige Herausforderung, bei der zunächst die Länder gefragt seien.
Auch die Bundesregierung lehnt derzeit eine erneute Aussetzung der Schuldenbremse aufgrund des Hochwassers ab. Regierungssprecher Steffen Hebestreit erklärte jedoch, dass die Regierung einen solchen Schritt in Abhängigkeit von der weiteren Entwicklung in Betracht ziehe. Falls ein „Schadensereignis von nationalem Ausmaß mit hohen Schadenssummen“ zu bewältigen wäre, würde der Bund seiner Verantwortung nicht ausweichen. Hierfür stünden „bestehende Mechanismen“ zur Verfügung. Vor einer endgültigen Entscheidung müsse jedoch zunächst der entstandene Schaden bilanziert werden, wobei das Ergebnis noch nicht absehbar sei.
Über Reform der Schuldenbremse wird gestritten
Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse ist politisch umstritten, auch innerhalb der Ampelkoalition im Bund. Die FDP lehnt eine erneute Aussetzung der Schuldenbremse, wie in den Vorjahren, entschieden ab. Hingegen gab es in den vergangenen Wochen sowohl aus anderen Parteien als auch von Ökonomen die Forderung nach einer grundlegenden Reform dieser Regelung.
Zu den Befürwortern einer erneuten Lockerung der Schuldenbremse zählt die SPD-Vorsitzende Saskia Esken. Auch die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer hat dafür plädiert, die Schuldenbremse auszusetzen und zu reformieren. Allerdings warnte die Ökonomin Veronika Grimm vor einem solchen Schritt. Sie sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Das Aussetzen der Schuldenbremse per Notfallregel erfordert eine Notlage. Die ist schwer zu argumentieren.“ Zudem bestehe die Gefahr einer übermäßigen Verschuldung des Staates.
Nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts musste der Bundestag im Dezember einen Nachtragshaushalt für 2023 verabschieden und dafür erneut die Schuldenbremse aussetzen. Ursprünglich hatte die Ampelkoalition geplant, die Schuldenbremse erstmals seit 2019 wieder einzuhalten.
Die Schuldenbremse begrenzt die jährliche Neuverschuldung des Bundes und darf laut Grundgesetz nur „im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen“, ausgesetzt werden.